Was ist schöner als gegen den Stadtrivalen Everton im Derby zu gewinnen? Richtig. Gegen die Blues in der letzten Minute des Spiels zu gewinnen. Wenn dieser entscheidende Treffer dann auch noch sehenswert aus circa 35 Metern Distanz fällt, ist die Ekstase der Kopites garantiert und ein Platz in den Geschichtsbüchern für den Torschützen sicher.
Gary McAllister erreichte unter anderem durch seinen Last-Minute Treffer Kultstatus bei den Reds. Es ist immer noch eines der schönsten Tore, die die Reds jemals gegen Everton geschossen haben.
Gary McAllister wechselte zum Start der Saison 2000/01 ablösefreivon Coventry City zum Liverpool FC. Trainer Gérard Houllier wollte einen Anführer im Mittelfeld haben, einen Mann mit Erfahrung. Die besaß McAllister mit seinen 35 Jahren damals mehr als genug. Viele hinterfragten Houllier's Entscheidung. Sie sahen nicht, wie ein Fußballer im Spätherbst seiner Karriere noch großen Einfluss auf die hochgesteckten Ziele der Reds haben könnte.
Spätestens am Ostermontag 2001 legte McAllister alle Zweifel seiner Kritiker beiseite. Das Merseyside Derby stand an. Liverpool hinkte im Rennen um die begehrten Champions- League-Plätze hinter der Konkurrenz hinterher und stand in der Tabelle nur an fünfter Stelle. Dazu kommt noch, dass Liverpool seit 1990 nicht mehr im Goodison Park, der Heimat der Toffees, gewonnen hatte.
Die Emotionen waren vor dem Spiel am Kochen. Eine größere Gruppe Everton-Fans hielten sich nicht an die Schweigeminute zu Gedenken der 96 Opfer der Hillsborough-Katastrophe und störten die Gedenken.
Auch auf dem Spielfeld ging es heiß her: Zwölf gelbe Karten wurden in diesem Spiel verteilt, zwei davon an Liverpools Igor Biscan, der logischerweise des Feldes verwiesen wurde.
Liverpool ging in der ersten Halbzeit durch ein Tor von Emile Heskey in Führung, doch Duncan Ferguson konnte für die Hausherren noch vor der Halbzeit ausgleichen. Die Reds starteten aber auch in die nächste Halbzeit mit Tempo und Kampfgeist. Der deutsche Verteidiger Markus Babbel brachte Houllier's Mannschaft wieder in Führung.
Die Ereignisse überschlugen sich danach: Robbie Fowler bekam nach einem Foul von Richard Gough einen Elfmeter zugesprochen, den er aber gegen den Pfosten knallte.
Anschließend sah Biscan seine zweite gelbe Karte und wurde des Feldes verwiesen. Sieben Minuten vor Schluss entschied der Schiedsrichter wieder auf Elfmeter - dieses Mal aber für Everton. David Unsworth verwandelte zum 2:2 und die Blues glaubten, sie haben ihren Rivalen endlich den Stachel herausgezogen.
Doch die Blues haben die Rechnung ohne Gary McAllister gemacht. In der dritten Minute der Nachspielzeit bekam Liverpool einen Freistoß aus 40 (!) Metern zugesprochen. Gary Macca, wie ihn die Fans liebevoll besingen, trat an und legte sich frecherweise hinter dem Rücken des Offiziellen mehrere Meter vor. McAllister war in seinen vorherigen Vereinen häufiger für die Standards zuständig, doch bei Liverpool standen normalerweise andere Leute in der Rangordnung vor ihm.
Der Ball befand sich im linken Zentrum von Evertons Hälfte. Liverpools Innenverteidiger standen im Strafraum bereit. Alle rechneten mit einem langen Ball von McAllister in den Strafraum. Die Blues stellten deswegen nur zwei Mann in die Mauer auf. Kurz vor dem Schuss bewegte sich Kevin Campbell in der Mauer ein paar Schritte nach links. Somit kreierte er eine freie Schussbahn auf das Tor.
McAllister realisierte dies schnell und lenkte seinen Schuss zwischen die beiden Verteidiger durch. Wer genau drauf achtet, sieht, wie Carragher McAllister anschreit.
Der Schotte überraschte mit diesem Versuch alle Spieler auf dem Feld, allen voran Evertons Torwart Paul Gerrard, der vergebens versuchte noch an den Ball heranzukommen. McAllisters Freistoß sprang vor dem Tor noch einmal auf und landete im Netz. Der Auswärtsblock explodierte und McAllister rannte zur Trainerbank, um seinen Treffer zu feiern, wo Houllier mit weit aufgerissenen Mund und Augen auf ihn wartete.
🎶 "Oh we loved your derby goal, your baldy head, you're Gary Mac"
— Redmen Family Germany 🏆 (@RedmenFamilyDE) April 16, 2021
🔴🔵 Heute vor 20 Jahren. Was gibts schöneres in der letzten Minute das Siegtor zu schießen? Genau! Das Siegtor beim Stadtrivalen zu schießen! #EVELIV #MerseysideDerby pic.twitter.com/ksKOnixtL7
Liverpool-Fan Steven Scragg beschrieb im Guardian die Ekstase, die unter den anwesenden Reds im Goodison Park herrschte: "Wir ließen unserer Freude freien Lauf, ein Austreiben von Wut und Frustration. Wir hatten so ein Gefühl, dass Everton mit dem Punkt davonkommt, doch McAllister vernichtete dies alles mit einem Schwung seines rechten Fußes."
Im Interview mit dem Fußballmagazin FourFourTwo beschrieb McAllister seinen Treffer wie folgt: "Der Torhüter von Everton bewegte sich etwas nach links und so entstand eine Lücke. 'Versuch es gar nicht erst, Gary!', flüsterte mir Jamie Carragher zu. Als ich zum Schuss antritt, sah ich, wie der Torwart sich erneut bewegte und so dachte ich mir: 'Halt einfach drauf!'. Das war ein sehr schöner Moment."
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Liverpool sicherte sich die drei Punkte und McAllister seinen Platz in der Derby-Folklore. Bekannterweise gewann Liverpool in dieser Saison das Triple aus Ligapokal, F.A. Cup und UEFA Pokal. Garry Macca hatte nicht nur dank seines Derbytreffers großen Anteil daran.